Mittwoch, 31. Oktober 2007
das heilige wiederholte Wort
Wieso zitiert man eigentlich sein halbes Leben irgendwelche anderen Menschen? Ich zitiere zahlreiche comedians, Freunde von mir zitieren ständig irgendwelche Politiker und je philosophisch begeisterter ein Mensch ist, desto mehr zitiert er andere Philosophen anstatt selbst zu reflektieren. Woran liegt das? Zumindest weiß ich, woran es bei mir liegt.
Das eigene Wissen nützt nichts. Die eigenen Ideen interessieren keine Sau. Jeder tiefgründige Gedanke ist reine Zeitschwendung, so lang vorher nicht schon mal mindestens eine berühmte Person das gleiche behauptet hat, zumeist ist es auch egal wer.
Wenn ich mich auf den Marktplatz stellen würde und aus voller Seele proklamieren würde, Liebe sei wie eine Schnecke, sie bestehe zu bestimmt 80% aus Schleim, dann würde ich nichts anderes als müdes Lächeln ernten.
Wenn ich anschließend klarmachte, dass ich damit Einstein zitierte, dann würde sich zustimmendes Nicken durch die Reihen arbeiten.
Ich kann behaupten was ich will, sobald ich hinzufüge "das habe ich gelesen" glaubt mir schon mal ein guter Prozentsatz meiner Zuhörer. Wenn ich die Quelle benennen kann, dann habe ich ein weiteres Viertel auf meiner Seite.
Warum können Dinge nur schlau oder tiefgründig sein wenn sie von einem bekannten Philosophen stammen, ansonsten sind es alberne Phrasen oder bestenfalls Postkartenphilosophische Ansichten?
Hat man Nietzsche auch das Leben schwer gemacht mit dieser Art der Behandlung? Sobald er etwas sagte, kam vielleicht wie aus einem Mund: "von wem kommt das?" Und wenn die Antwort dann nicht lautete "Das hat Sokrates gesagt!", dann wurde er ausgelacht?
Es ist eigentlich so schade, dass man sich heutzutage nur noch mit vielseitig abgesicherten Gedanken aus dem Haus traut, oftmals würde ich viel lieber meine eigenen Ideen ins Spiel bringen, als jede Aussage mehrfach (bitte in philologisch korrekter Zitierweise und bloß nie ohne Literaturangabe) zu belegen. Ich glaube, viele Gespräche würden mir viel mehr Spaß machen, wenn sich diese Angewohnheit nicht in unseren angeblich so aufgeklärten Geist geschlichen hätte.

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Mittwoch, 2. Mai 2007
#105
Ja, ein weiterer Punkt auf der langen langen Liste von Dingen, die mich wahnsinnig machen.
Zunächst muss ich mich jedoch zu etwas bekennen:
Ich bin ein Verbrecher, ja, ihr habt richtig gelesen, ich bin ein Krimineller. Absichtlich und ohne Rücksicht auf Verluste fahre ich beinahe jeden Tag mit dem Fahrrad auf der falschen Seite der Straße. Ich weiß nicht warum ich es tue, ich schätze es ist mir egal. Ich weiß dass es falsch ist, ich mache es trotzdem, in hoher Frequentierung. Ich fahre auf der Seite, die mir gerade besser gefällt.
Und sobald man so etwas macht gibt es ausreichend Menschen, die der Meinung sind, sie müssten mich belehren, und mir erzählen, dass ich auf der falschen Seite fahre. Manchmal bleibe ich dann stehen und stelle ihnen die folgenden Fragen:
"Glauben sie wirklich, dass mein Gehirn so inkompatibel mit unserem Verkehrssystem ist, oder einfach nur so klein, dass es die Informationen über den Rechtsverkehr in Deutschland nicht bewältigen kann? Oder sind sie der Meinung ich sei so dermaßen desorientiert dass ich rechts und links nicht zu den jeweiligen Seiten zuordnen kann? Und wenn dem so ist, warum glauben sie, dass gerade sie daran etwas ändern können?
Das ist aber nicht die einzige Situation, in der Menschen auf die Idee kommen, andere zu belehren. Treten sie morgens aus dem Haus und denken sich "ahh, heute erzähl ich wieder ein paar Leuten was gut und richtig ist."?
Man trifft sie überall. Sie erzählen einem wo man nicht langgehen darf, wie man Gegenstände auf das Band im Supermarkt legt, dass Rauchen ungesund ist, dass man anständige Kleidung anziehen soll, wie man mit seinem Kind umzugehen hat, dass der Himmel blau und die Sonne gelb ist. Woher kommt dieses Verlangen, Menschen Dinge zu erzählen, die sie offensichtlich schon wissen oder nur nicht wissen wenn sie dumm sind und man es ihnen doch nicht beibringen kann? Fühlen sie sich besser damit?
Im Endeffekt sind es vielleicht genau diejenigen, die auch die Lügen in die Welt setzen, die man sich ihretwegen als Kind notgedrungen aneignet.
Die chinesische Mauer kann man vom Weltall aus sehen, die Sonne färbt sich abends rot wegen der Luftverschmutzung, das Meer ist blau weil sich der Himmel darin spiegelt, die Bibel wurde von Gott höchst persönlich geschrieben, von Knochenknacken kriegt man Rheuma, den Treibhauseffekt gibt es nur wegen des Menschen, mit Trennkost kann man ganz wunderbar abnehmen, Tiere haben keine Gefühle, all dieser Unsinn, den man später einmal mit viel Mühe falsifizieren muss.
Warum?

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Dienstag, 24. April 2007
da hack ich noch weiter drauf rum...
Das gleiche gilt übrigens auch für unsere Situation auf dem freien Markt. Viele Produkte lassen sich nicht mehr in ihrer Ursprünglichen Version, sondern nur als Megaprodukte erwerben. Bald kann man sicherlich unter „Giga“ nichts mehr kaufen. Wurst und Brotbelag esse ich ausschließlich wenn es sich dabei um 1A-Spitzen oder besser noch 1A-Megaqualität handelt. Letzteres ist leider auf dem Markt bisher schwer zu finden, aber es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis es sich in unseren Kreisen einbürgert.
Bei Wasch- und Pflegemitteln läuft das ganze Spiel völlig analog, wo ein Waschmittel versagt, da wird es sofort durch ein Produkt von gleicher oder niedrigerer Qualität ersetzt. Dieses Produkt erreicht trotz seiner fragwürdigen Leistungsfähigkeit die nächste Stufe auf der Bewertungsskala, gerechtfertigt allein durch seine Existenz als Nachfolgeprodukts des Vorgängerprodukts. Dass die Produkte insgesamt nicht besser werden, sondern in ihrer Qualität höchstens gleich bleibend sind, erkennt man ganz schon an Folgendem: Würden die besagten Produkte mittlerweile tatsächlich im Qualitätsbereich „mega“ liegen, so ergibt sich sehr schnell die Frage, warum Stiftung Warentest die getesteten Produkte immer noch auf der veralteten Skala einordnet. Das Bewertungsurteil müsste viel berauschendere Ergebnisse zulassen als nur gut und sehr gut, es wären auch mindestens noch supergut, megagut, geil, supergeil, megageil, oberaffengeil, supermegagiga-teraexapetazettayottaaffengeil gefragt. Dass diese Bewertungsurteile jedoch nicht vorkommen, muss notwendigerweise heißen, dass kein Produkt auf dem Markt derzeit besser ist als sehr gut.
Allerdings lässt sich anhand dieser Übersteigerungen erklären, warum sich jedes Kaufhaus und jeder Supermarkt leisten kann, ständig die besten Produkte zum kleinsten Preis anzubieten. Ganz einfach – die besten Produkte sind klassische Wegwurfware im Vergleich zu Hypersupermegaprodukten, die kleinsten Preise dagegen sind horend gegenüber Supergeizmegatiefsparpreisen. Der Schnäppchenjäger unter soll auf die sporadische Verwendung des ursprünglichen Superlativs hereinfallen – also merken - weniger als Megagut zu Preisen teurer als Supersparpreisen, das kann nur ein schlechter Deal sein.

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Montag, 23. April 2007
#121
Punkt #121 auf der Liste der Dinge die mich nerven.
Wobei ich wirklich Angst habe, mir vor Wut selbst weh zu tun, ist, wenn ich Radio höre und der zuständige Radiosprecher den Superlativ vergewaltigt. Ja, was ist denn eigentlich ein Superlativ? Ein Bekannter antwortete mir auf die Frage einmal mit: "Ja, das is diesa Vorsatz wie bei super schön, super nett, super geil und so." ....ähm....nein...setzen, sechs!
Nein, tatsächlich ist der Superlativ die Höchststufe in der Komparation, also dem Vergleich von Adjektiven und Adverbien. Damit ist schon alles gesagt, den Superlativ gibt es also, um darzustellen, dass es nicht noch besser, schöner, größer oder auch dümmer geht.
Allerdings verbrauchten die Menschen dieses beste anscheinend zu früh, denn es schien die Musiker enttäuscht zu haben, dass es schon so früh in der Musikgeschichte einen besten song gab. Aber es war ja so einfach, man steigerte den Superlativ einfach wo es noch ging und fing zunächst mit "Hit" und dann natürlich sofort mit dem "größten Hit" und sogar dem "Megahit" an. Heute ist im Grunde genommen jedes Lied zunächst ein Hit und wie weit es auf der Skala dann nach oben wandert, entscheidet sich später. Nun sucht sich mein Radiosender vom Besten des Besten des Besten des Besten des Besten allerdings anscheinend nur noch die Angesagtesten Megahits, sogar ein oder zwei mega-angesagteste Megahits habe ich schon gehört. Und hat sich mein Leben dadurch verändert? Nein. Denn es sind nicht die mega-angesagtesten Megahits. Es ist oft noch nicht einmal der beste Hit, von Megahit einmal ganz abgesehen. Man sagt das nämlich nur so. Es gibt auch kein Mega-live-Konzert, es gibt nur ein live-Konzert, also ein Konzert. Ein Konzert dass kein live-Konzert ist, ist vielleicht eine Playback show, aber bestimmt kein Konzert. Also Leute, bitte bitte macht euch klar dass die Worte Mega, Giga, Tera, etc. nicht dafür da sind, um auszdrücken, wie viel besser als das Beste etwas ist. Sonst kommt es zum paradoxon und solche Dinger haben die Angewohnheit, das Universum am kaputtesten zu machen. Oder noch mehr als das. Auf jeden Fall megaschlimm und so.

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Mittwoch, 28. März 2007
Darwin ausser Rand und Band...
Als die HMS Beagle im Dezember 1831 in Devonport in See stach, bereit für eine fünfjährige Expedition zu den Kapverdischen Inseln, den Falklandinseln, der südamerikanischen Küste, den Galapagos-Inseln und Australien, war Charles Robert Darwin, vielleicht ohne es zu wissen, kurz davor, den Grundstein der wichtigsten Evolutionstheorien aller Zeiten zu legen. Seine Erkenntnisse sind noch heute, über 150 Jahre später, das Grundmanifest der Evolutionsforschung und aus ihnen lassen sich alle modernen Evolutionstheorien ableiten. Zusätzlich sind bis heute die meisten seiner Aussagen unwiederlegbar. Die Betonung liegt auf "bis heute".
Auch der moderne Mensch war die längste Zeit der natürlichen Selektion unterworfen und seit der Geschichtsschreibung wird der durchschnittliche Mensch größer, stärker und unter Umständen sogar intelligenter. Mit dem Fortschritt der Medizin im letzten Jahrhundert wurde aber auch deutlich, dass der durchschnittliche Mensch mit Generation zu Generation nicht unbedingt gesünder wird. Ja, Titten auf den Tisch – was ist los mit uns? Wir sind eine Spezies von kurzsichtigen, kranken, allergiegeplagten und oft sogar früh sterbenden Schwerhörigen. Was ist passiert? Hatte Darwin doch Unrecht? Ist der moderne Mensch nicht nur Homo sapiens sapiens, sondern gleichzeitig Homo sapiens sapiens disabilitus? Und wie konnte die Evolution des Menschen zu einer Fülle von Krankheiten führen, die jede Auswahl an Behandlungsmethoden bei Weitem übertrifft?
Erinnern wir uns an uns selbst, vor allem diejenigen von uns, bei denen im frühen Kindesalter Kurzsichtigkeit diagnostiziert und eine Verschlimmerung im Alter prognostiziert wurde. Nehmen wir einfach mal ungefähr –6 Dioptrien an. In einer natürlich funktionierenden Umwelt hätte der Arzt die Eltern in sein Büro geschickt, sich auf seinen Stuhl gesetzt und mit besorgter Miene und zerkrauster Stirn sein Mitgefühl ausgesprochen. „Es tut mir leid, Herr und Frau Mustermann, ihr Sohn ist leider kurzsichtig. Wenn er nicht vor seinem zehnten Lebensjahr von einem hungrigen Panther gerissen wird, ist das nichts anderes als ein Wunder.“
Stattdessen jedoch, eher der Junge weiß wie ihm geschieht, kriegt er eine starke Brille auf die Nase und ist ab sofort wieder gesellschaftsfähig. Nun kann man wohl sagen dass Kurzsichtigkeit alles andere als unser größtes Problem darstellt, aber die Quelle der Beispiele ist unerschöpflich – Allergien, Haarausfall, Rot-Grün-Blindheit, Laktoseintoleranz, Sichelzellenanämie, Herzfehler, Mukoviszidose, Trisomie, Blindheit, Taubheit, Alzheimer, Creutzfeld-Jakob, usw., alles Erbkrankheiten oder genetische Disposition, die sich vor einiger Zeit unter die sonst so gesunden Menschen geschlichen haben und sich hartnäckig unter ihnen halten. Es ist ja nicht so als könne man jede Krankheit besiegen, wie den Pocken-Virus, den es als Erreger nur noch als Bewohner eines Röhrchens im Kühlschrank der schönsten Laboratorien der Welt gibt.
Aber sterben Kinder, bei denen schon kurz nach ihrer Geburt eine ernstzunehmende Erbkrankheit diagnostiziert wird? Mittlerweile ermöglicht die moderne Medizin diesen Kindern in sehr vielen Fällen, ein völlig normales Leben zu führen. Daumen hoch für de Medizin. Leider ermöglicht es die Medizin jedoch nicht, diese Erbkrankheiten zu vernichten und je nach Vererbung der Gene gibt es eine bestimmte (und oft hohe) Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Kinder dieser Kinder mit genau diesen Erbkrankheiten zur Welt kommen. Daumen runter. Da auch Kinder mit anderen Erbkrankheiten ein völlig normales Leben führen können (Daumen hoch), kommt es irgendwann dazu, dass sich Menschen mit verschiedenen Erbkrankheiten paaren und – Bingo – da kommt schon das erste Kind mit zwei seriösen Erbkrankheiten zur Welt.(Daumen runter). Unsere moderne Medizin ermöglicht es also, Charles Darwin den Rücken zuzukehren und ein Leben (relativ) frei von natürlicher Selektion führen zu können. Und unser Sozialsystem ermöglicht es genau diesen Menschen, ein völlig normales Leben zu führen. Damit mich niemand falsch versteht – ich halte das, wie alle anderen auch, für völlig richtig – ich möchte nicht dass jemand einmal zu hören bekommt, „Es tut mir leid Herr Beispielsmüller, aus Gründen der natürlichen Selektion können wir sie leider nicht am Leben erhalten. Sie müssen sterben. Für das Wohl der Menschheit. Es tut uns Leid. Bitte räumen sie ihre Wohnung bis zum 31. Und bitte keinen Geschlechtsverkehr bevor sie sterben. Gehen sie nicht über Los.“ Ich finde es auch wirklich hervorragend, dass unsere Gesellschaft und unser medizinischer Fortschritt möglich machen, dass auch die weniger Gesunden zu ihrem Recht kommen, ein völlig normales Leben zu führen. Aber es bleibt festzustellen, wenn die Erbkrankheiten erst einmal in Menschen Fuß gefasst haben, dann sorgen wir selber unaufhörlich dafür, dass sie auch unter uns bleiben. Da auch ich selber, was Erbkrankheiten angeht, nicht ganz unbefleckt bin, wird mir hoffentlich jeder glauben dass diese Feststellung keinesfalls negativ bewertet wird, ich selber bin dankbar für das Leben, das ich führen darf.
Aber wann immer ich mich in eine Diskussion verwickle, in der es sich um genetische Veränderung am Menschen dreht, muss ich irgendwann auf diesen Punkt zu sprechen kommen und feststellen, dass der einzige Weg, diese Erbkrankheiten loszuwerden ist, der Genetik zu gestatten, die Veränderungen vorzunehmen und bestimmte Gene zu "überwachen". Meistens schlägt mir in einer solchen Debatte über Genetik der folgende Satz entgegen: „Genetik, das ist Gott spielen, dann kann man irgendwann im Supermarkt das perfekte Kind kaufen“. Aber mal im Ernst – an dem Tag, an dem wir Darwin lachend den Mittelfinger zeigten und sagten dass von nun an nur noch diejenigen Menschen sterben, bei denen wir es partout nicht verhindern können, fing das Gott spielen nicht da schon an? Zu entscheiden wer stirbt und wer lebt, das ist meiner Definition nach Gott spielen und ich finde es von unserem Standpunkt aus auch nicht falsch, den sterbenskranken zum Leben zu verhelfen. Die einzige logische Konsequenz jedoch, die wir aus unserer fehlenden Selektion ziehen können, ist entweder Genetische Veränderung an unserem Erbgut zuzulassen um zuzusehen, dass wir eine normal gesunde Spezies bleiben, oder aber zu akzeptieren, dass in einigen Jahren nun mal jedes zweite Kind mit chronischem Nasenjucken geboren wird. Oder Heuschnupfen. Oder vielleicht auch mal mit einem Herzfehler. Vielleicht sogar mit allem zusammen. Oder aber einer der Leute, die lauthals gegen Gentherapie beim Menschen demonstrieren und protestieren, geht zu allen Menschen der Welt, die mit Erbkrankheiten zur Welt gekommen sind und sagt ihnen. „Es tut mir leid. Sie sind krank, sie dürfen keine Kinder bekommen. Sie machen uns kaputt. Danke für ihr Verständnis.“ Und wenn der nette Herr dem zustimmt und sich bereit erklärt, keine Kinder zu zeugen, sind wir zwar in gewisser Hinsicht schon wieder beim Gott spielen, aber vielleicht funktioniert es ja. Ich bin gespannt wann sie bei mir vor der Tür stehen. Wie das Gespräch abläuft weiß ich allerdings schon. Ich erkläre ich dem/derjenigen einfach, dass es mir persönlich viel besser passen würde, wenn ich doch ein Kind bekäme. Danke für ihr Verständnis!

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Dienstag, 27. März 2007
Die geizige Konsumgesellschaft
Heute war ich mal wieder bei Saturn um ein Kabel zu kaufen. Eigentlich hab ich es nicht so mit diesem Geschäft, ohne jetzt einen Vortrag über Globalisierung oder Massenkonsum halten zu wollen, ich mag es einfach nicht, dorthin zu gehen. Da ich aber genauso ungern in andere Medienkaufhäuser gehe, tue ich es trotzdem dann und wann. Jedesmal wenn ich dort bin jedoch, fällt mir dieser Spruch ins Auge, dieser omnipräsente, blödsinnige Spruch, ein Werbeslogan wie kein anderer, GEiZ IST GEIL.
Ich hasse ihn, im tiefsten inneren meiner Seele und auch, was mir sonst nicht ähnlich sieht, in jedem anderen Zentimeter meines Körpers. Liegt es an der Sprachverarmung? Daran dass dieser Spruch so armseelig ist und trotzdem so unglaublich wirksam? Liegt es daran, dass er mir trotzdem nicht aus dem Kopf geht obwohl ich ihn so ablehne?
Mein Problem mit diesem Spruch ist eigentlich ein ganz anderes. Um das zu erläutern ein kleiner Rückblick..

Als den Europäern zum Ende der 90er Jahre klargemacht wurde, dass die Währungsunion in 12 EU-Ländern zum 1.1.2002 in die letzte Phase übergehen würde und der Euro schließlich auch das Bargeld dieser Länder ablösen würde, da entwickelte sich in der breiten Masse wieder einmal ein Horrorszenario und die Menschen fürchteten um ihr liebes und hart erarbeitetes Geld. Schon vor der Einführung des Euro-Bargeldes erreichte die neue Währung an der Börse ihr Rekordtief und Menschen wachten oftmals in der Nacht schweißgebadet auf und weinten heiße Tränen. Hat ein Mensch Angst vor einem roten Tier, so kann er sich mit wenig Mühe in Anwesenheit eines gewöhnlichen Laubfrosches in all seiner Panik bestätigt sehen und die Farbe ist nur noch eine Frage der Argumentation. Es kam also wie vorhergesehen, mit der Einführung des Bargeldes sah man die inländische Kaufkraft des Euros sinken, überall erzählte man es seien lediglich die Gehälter genau umgerechnet worden, jedes Produkt hingegen unterläge eindeutig einer Inflation von mindestens 100%. Überall gingen die Umsätze der Warenhäuser zurück und man weigerte sich zu kaufen, der Konsumstreik richtete in der deutschen Wirtschaft einen erheblichen Schaden an. Tatsächlich also entwickelte sich das Gespenst als Resultat aus der Angst vor dem Gespenst, überall berichtete man von Rezession, Stellenabbau und Inflation, überall beschwerte man sich über die Regierung und den Euro, Arbeitslose ebenso wie verarmte Yachtbesitzer, alle verkündeten Hand in Hand dass es ihnen so schlecht gehe wie niemals zuvor.
Was ist allerdings eine Wirtschaft wert, die es nicht schafft, aus jedem beliebigen Trend ein Geschäft zu machen? Aus Geiz Profit schlagen, das hört sich zwar zunächst abwegig an, ist jedoch genau das, was durch die geschwächten Brieftaschen der Deutschen Bürger initialisiert wurde.
Zunächst begann man, die verängstigten Bürger mit Sonderangeboten wieder in die Geschäfte zu locken. Es fiel auf, dass es für ein Warenhaus egal ist, ob es pro verkauftes Produkt nur noch die Hälfte von dem gewinnt was früher in die Kassen und Gesäßtaschen ging, solange man die Kunden dazu bringen kann, die doppelte oder dreifache Menge zu kaufen. Man redete also fortan jedem potentiellen Kunden ein, er könnte bei bestimmten Produkten sparen, durch bestimmte Sonderangebote war diese Behauptung ja durchaus nachweisbar. Anschließend ging man noch einen großen Schritt weiter und schaffte ein völlig neues Bild des Sparens. Heutzutage nämlich, so scheint es, ist das Gesparte nicht mehr das Geld, das am Ende eines Monats übrig bleibt, sondern das Geld, das man für ein bestimmtes Produkt weniger bezahlt. Ein Produkt wird also beliebig verteuert, der Preis erscheint jedoch durchgestrichen auf dem Preisschild. Daneben erscheint der Originalpreis des Produkts und ein gut gemeinter Hinweis darauf, welche Ersparnis der Kauf des Produkts ergibt. Ich möchte nicht jedem beliebigen Händler unterstellen er würde kein wirkliches Sonderangebot für seine Produkte anbieten, insofern kann es sein, dass es sich bei vielen der durchgestrichenen Preise auf Tafeln und Schildern tatsächlich um die Originalpreise der angesprochenen Produkte handelt, das Problem liegt jedoch an anderer Stelle.
Wenn ich eines schönen Samstag Morgens in einem Katalog auf ein Sonderangebot aufmerksam gemacht werde und beschließe, das paar Schuhe zu kaufen, da es statt 99 Euro nur 79 Euro kostet, dann bin ich nicht im Begriff, 20 Euro zu sparen. Ich habe am Ende des Tages 79 Euro weniger gespart, da ich mir ein paar Schuhe gekauft habe. Könnte man durch den Erwerb von Produkten Geld sparen, dann wäre es kein Problem, sich nur vom Kauf von bestimmten, vergünstigten Produkten über Wasser zu halten.
Man kauft sich einfach im Jahr mehrere Klaviere mit einer Gesamtersparnis von einigen tausend Euro, von diesem Geld kann sich ein mittelständiger Deutscher eine lange Zeit ernähren.
Ich will die Augen vor dem Vorteil gar nicht verschließen – natürlich kann man durch etwaige Sonderangebote mit dem gleichen Geld mehr Produkte kaufen als ohne Sonderangebote, mit sparen hat es jedoch nichts mehr zu tun.
Wenn ein Fastfood - Restaurant Gutscheine ausgibt, mit deren Hilfe man Hamburger zu 75% des Normalpreises erwerben kann und man sich dorthin begibt, dann spart man überhaupt nichts. Noch weniger spart man, wenn man sich von den günstigen Angeboten dazu verführen lässt, gleich mehrmals jenes Restaurant aufzusuchen. Wäre im Monatsbudget eingeplant, dass man jeden Tag zwei Hamburger verzehrt und man beschließt plötzlich, nur noch einen Hamburger am Tag zu essen, dann spart man Geld. Stattdessen laufen täglich zahlreiche hungrige Bundesbürger in Fast - Food Lokale, weil sie der Meinung sind sie könnten durch die speziellen Angebote Geld sparen. Dass das Geld am Monatsende trotz der vielen Ersparnisse in der Brieftasche fehlt, das scheint einige von uns nicht zu wundern.
Dass man heutzutage immer und überall versucht, auf die Sparsamkeit einzugehen und ein Geschäft aus dem Geiz der verängstigten Bürger zu machen, das erkennt man nicht nur an Werbeslogans wie „Geiz ist geil!“. Sobald jemand versucht, ein Produkt an den Mann zu bringen, fallen Worte, die eine sich Anbahnende Zahlung attraktiver erscheinen lassen sollen.
Ein Beispiel hierfür ist das von mir persönlich verhasste Wort „einmalig“. Wahrscheinlich wird dem erfahrenen Leser sofort auffallen, wie viele einmalige Zahlungen man neuerdings zu tätigen hat. Im Fitnessclub ist die Aufnahmegebühr auf jeden Fall einmalig. Jeder neue Telefonanschluss oder Handyvertrag hat eine einmalige Anschlussgebühr als Aktivierungsenergie. Mittlerweile wollen Vertragspartner sogar einmalige Zahlungen für eine Änderung der persönlichen Daten. Mietkautionen und Maklerprovisionen – ohne Frage einmalig.
Ich tätige Grundsätzlich keine einmaligen Zahlungen, schon wenn das Wort fällt zucke ich erschrocken zusammen und versuche mich um die Ausgabe herumzudrücken. Im Grunde genommen ist der Klang des Wortes ja gar nicht so schlimm, denn es macht unmissverständlich klar, dass man nicht öfter als ein einziges Mal bezahlen muss. Dabei rückt aber recht oft aus dem Focus, dass eine einmalige Zahlung nichts anderes ist als eine Zahlung. Person A möchte Geld von Person B, nichts anderes. Das Wort „einmalig“ ist daher völlig überflüssig, für gewöhnlich wird nämlich jede nicht-einmalige (also jährliche oder gar monatliche) Zahlung auch als solche gekennzeichnet.
Jede beliebige (einmalige) Zahlung als solches kenntlich zu machen, das wäre als wenn man von einem Passanten auf der Straße für eine einmalige Spende von einigen Cent zur Kasse gebeten würde. Vielleicht würden Einkaufsbummler viel öfter Geld an Bettler, Obdachlose oder Straßenmusiker geben, wenn diese ein Schild neben ihre Hüte oder Gitarrenkoffer stellten, auf dem stünde „einmalige Spende bitte hier“.
Ein anderes dieser Signalwörter ist „unverbindlich“. Sobald ein beliebiges Gespräch unverbindlich wird, weiß man, dass es spätestens am Ende des Gesprächs um Geld geht. „Unverbindlich“ ist also nichts anderes als die Kurzform für "Ein Gespräch mit einer verbindlichen Bitte um Geld." Um einen finanziellen Suizid in einem verbindlichen Vertrag, darum geht es in einem unverbindlichen Gespräch.

Mittlerweile muss man nicht einmal mehr das Haus verlassen und einen Vertreter aufzusuchen um sich das liebe Geld aus der Tasche ziehen zu lassen, es kommen genug Pilger und Schlawiner an die eigene Haustür um vor Ort nach Reichtum zu suchen. Sogar am Telefon werden einige unserer Mitbürger fast täglich zu völlig unverbindlichen Gesprächen gezwungen. Ob es um ein Preisausschreiben, eine unverbindliche Weinprobe oder einen neuen Tarif geht, ständig klingelt das Telefon und eine sorgsam auserwählte Stimme klärt uns über die neuesten Optionen und Sparmöglichkeiten auf. Wenn es nicht ums Sparen geht, dann geht es ums Gewinnen. Natürlich, jeder will Geld gewinnen, keine Frage. Aus diesem Grund wird man auch oft mit den neuesten Klassenlotterien behelligt, nicht zu selten werden bis zu 90%ige Gewinnchancen versprochen. Wie ist das denn nun mit den Gewinnchancen, sind die tatsächlich so hoch? Und warum ist das möglich, irgendwoher muss das Geld, das uns alle reich machen soll, doch kommen? Tatsächlich sind die Chancen, bei einer Teilnahme mit einer Geldausschüttung belohnt zu werden, atemberaubend hoch. Genauso hoch allerdings ist auch die Chance, dass dieser „Gewinn“ ungefähr halb so hoch ist wie der Einsatz. Einen tatsächlichen Gewinn zu erzielen ist demnach ähnlich hoch wie die Chance dafür, dass die freundliche Person am Telefon berichtet, dass man auf keinen Fall mitmachen sollte und dass man als Teilnehmer höchstens über den Tisch gezogen, nicht aber belohnt wird. Eine dieser freundlichen Personen wurde am Telefon eines Tages recht eindringlich und fragte mich, ob ich kein Geld gewinnen wolle. Da kann man wahrscheinlich nur mit einer Gegenfrage antworten: „Wenn ihr Lotterieticket jeden Teilnehmer mit einer 97%igen Chance zum Millionär macht, wieso sitzen sie immer noch im Callcenter und versuchen, anderen Menschen Lose aufzuschwatzen?“
Auch im Fernsehen geht es ständig ums sparen und gewinnen. Nach Ende des regulären Sendeprogramms zeigt mittlerweile jeder zweite Fernsehsender seine eigenen, spannenden Gameshows. Ein Anruf kostet 50 Cent oder mehr, anrufen tun einige am Abend ca. 20 Male. Gewinnen tun sie für gewöhnlich nichts. Um das zu garantieren hat jeder Sender die kleinen Standard-Tricks. In der einen Show wird ein Anrufer nach dem anderen in die Leitung geholt, des Rätsels Lösung allerdings ist einfach nicht zu erraten. Da gesetzlich vorgeschrieben ist, dass es eine Lösung geben muss, hat man einen anderen Trick gewählt, denn jedes Rätsel hat ein dutzend Lösungen und wenn eine der richtigen Lösungen genannt wird, dann streicht man sie einfach von der Liste. Erst wenn die letzte „richtige“ Lösung genannt wird, kann ein Teilnehmer Geld gewinnen. Für gewöhnlich jedoch wird das Spiel vor erreichen der letzten Lösung beendet, ergo – niemand gewinnt. Auch eine nette Art und Weise ist es, das Rätsel so armselig einfach zu gestalten, dass jeder Zuschauer auf den ersten Blick die Lösung kennt. Die Moderatoren erzählen daraufhin dass sie gar nicht verstünden warum niemand anrufe, das Rätsel müsse wohl zu schwer sein. Während die Geschäftsführer nur noch Dollarzeichen sehen und sich vor lachen die Bäuche halten, ruft ein armer Mensch nach dem anderen an, im Glauben er sei der einzige Erleuchtete. Die Moderatoren bieten immer mehr Geld, die Leitungen glühen und zu Hause ärgert sich jeder Zuschauer darüber, dass das einfache Rätsel bisher noch nicht gelöst wurde, greift letztendlich doch zum Telefon. Denn was jeder merkt – die Zeit drängt! Ständig blinkt der Hotbutton, ein Zeichen dafür, dass jede Sekunde ein Anrufer in die Leitung geholt werden kann. Zahllose Countdowns, nervtötende Piepsgeräusche und übertrieben nervöse Moderatoren sollen dies beweisen. Passieren tut jedoch eine Stunde lang nichts. Erst wenn die Schweizer Nummernkontos platzen wird irgendjemand in die Leitung geholt, der die Frage mit Sicherheit falsch beantwortet. Wahrscheinlich steht die ominöse Person in Verbindung mit dem Sender und kriegt ein höchstens dürftiges Gehalt dafür, diese Frage falsch zu beantworten. Das Geld bleibt also beim Sender. Fast noch klüger ist die Masche, wirklich ein paar Menschen Geld gewinnen zu lassen, denn hier rufen noch mehr an, die eingespielten Summen liegen weit über den halbherzig ausgezahlten Gewinnen. Also Leute, „spart“ euer Geld lieber und ruft nicht an, diese Shows ernähren sich nur dadurch, dass sie euch etwas vorspielen.

Und wieder zurück zum eigentlichen Thema: jetzt wird auch jedem klar sein warum ich diesen Slogan so hasse, paradoxerweise wird also vor allem mit der Sparsamkeit der Menschen überdimensional viel Geld gescheffelt. Der Konsumgeiz, vielleicht eines der großen Worte des neuen Jahrtausends, ist eins der ertragsreichsten Geschäfte unserer Zeit. Du willst kein Geld ausgeben? Das kostet aber extra!

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