Mittwoch, 31. Oktober 2007
das heilige wiederholte Wort
Wieso zitiert man eigentlich sein halbes Leben irgendwelche anderen Menschen? Ich zitiere zahlreiche comedians, Freunde von mir zitieren ständig irgendwelche Politiker und je philosophisch begeisterter ein Mensch ist, desto mehr zitiert er andere Philosophen anstatt selbst zu reflektieren. Woran liegt das? Zumindest weiß ich, woran es bei mir liegt.
Das eigene Wissen nützt nichts. Die eigenen Ideen interessieren keine Sau. Jeder tiefgründige Gedanke ist reine Zeitschwendung, so lang vorher nicht schon mal mindestens eine berühmte Person das gleiche behauptet hat, zumeist ist es auch egal wer.
Wenn ich mich auf den Marktplatz stellen würde und aus voller Seele proklamieren würde, Liebe sei wie eine Schnecke, sie bestehe zu bestimmt 80% aus Schleim, dann würde ich nichts anderes als müdes Lächeln ernten.
Wenn ich anschließend klarmachte, dass ich damit Einstein zitierte, dann würde sich zustimmendes Nicken durch die Reihen arbeiten.
Ich kann behaupten was ich will, sobald ich hinzufüge "das habe ich gelesen" glaubt mir schon mal ein guter Prozentsatz meiner Zuhörer. Wenn ich die Quelle benennen kann, dann habe ich ein weiteres Viertel auf meiner Seite.
Warum können Dinge nur schlau oder tiefgründig sein wenn sie von einem bekannten Philosophen stammen, ansonsten sind es alberne Phrasen oder bestenfalls Postkartenphilosophische Ansichten?
Hat man Nietzsche auch das Leben schwer gemacht mit dieser Art der Behandlung? Sobald er etwas sagte, kam vielleicht wie aus einem Mund: "von wem kommt das?" Und wenn die Antwort dann nicht lautete "Das hat Sokrates gesagt!", dann wurde er ausgelacht?
Es ist eigentlich so schade, dass man sich heutzutage nur noch mit vielseitig abgesicherten Gedanken aus dem Haus traut, oftmals würde ich viel lieber meine eigenen Ideen ins Spiel bringen, als jede Aussage mehrfach (bitte in philologisch korrekter Zitierweise und bloß nie ohne Literaturangabe) zu belegen. Ich glaube, viele Gespräche würden mir viel mehr Spaß machen, wenn sich diese Angewohnheit nicht in unseren angeblich so aufgeklärten Geist geschlichen hätte.

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Samstag, 2. Juni 2007
warum immer ich?
Wieviel Geld wird in der Bundesrepublik eigentlich dadurch gemacht, dass Menschen anderen Menschen Dinge aufschwatzen, die sie weder brauchen, noch wollen? Ich weiß, ich weiß, ich hab mich schon mal drüber beklagt, aber jügste Ereignisse zwingen mich dazu, mich nochmal darüber auszulassen?
Es reicht ja nicht, dass man überall angequatscht wird und zu unverbindlichen Beratungen gezwungen wird, nein, überall lauern die Verkäufer und Berater, man biegt um eine Ecke und *peng* ist man mitten in einem Beratungsgespräch über 200%ige Gewinnchancen bei der deutschen Klassenloterie, steht schon mit einem Bein im Buchclub oder wird in das gehobene Leben als Produkttester informiert. Wenn man nicht rausgeht - kein Problem, sie rufen an. Man nimmt nicht ab, sie rufen noch mal an. Man hat kein Telefon - kein Problem, sie kommen auch an die eigene Haustür. Und das beste an ihnen ist, man wird sie nicht los. Sie sind auf beiden Ohren taub und kennen kein Gegenargument. Sie haben einen Vertrag für Arcor unterschrieben? Kein Problem, Alice ist so günstig, da müssen sie einfach einen zweiten abschließen, sonst verpassen sie ihre Chance. Was zur Hölle soll ich mit zwei Telefon/Internetverträgen? Wenn ich diese Frage stellte werde ich mit einer ganzen Reihe von nutzlosen Informationen zugemüllt die wieder kein Mensch haben will, aber wenn ich den freundlichen aber irgendwie störenden Menschen an der Haustür wirklich auf das sachlichste aller Argumente herunterkürze und ihm so lange die Frage stelle, bis er sie tatsächlich beantworten muss, dann kriege ich nur starren und sabbern zurück. Muss man auf eine Schule gehen um so dummdreist zu werden? Bekommen die Menschen da beigebracht, wie sie andere so beständig nerven können, dass die ihnen etwas abkaufen nur um sie loszuwerden? Und wo ist die gute alte Tradition, irgendwo hinzugehen, wenn man etwas brauch? Ich schlage den meisten Verkäufern am Telefon oder vor meiner Haustür immer einen neuen deal vor und sage "Ab jetzt machen wir es anders. Wenn ich etwa von ihnen will, dann melde ICH mich." Und dann die Tür zu. Oder am Telefon - auflegen. Mehr hilft nicht. Man hat keine Zeit, ihnen zu erklären dass es hoffnungslos ist. Man kommt nichtmal zu Wort. Man hebt ab und sie sind schon in der Mitte des Satzes. In den seltesten Fällen, gerade so neulich, läuft ein solches Gespräch nach meinen Vorstellungen:

"hallo?"
"schön, dass ich sie erreiche, ich möchte ihnen heute ein einmaliges Angebot machen, das wir.."
Ich hatte schon genug gehört.
"halt halt halt! Was wollen sie mir verkaufen, in einem Satz mit höchstens drei Worten?"
Die Stimme am Ende ließ Überraschung und gleichzeitig Verwirrung zu mir herüberschwingen, ich hatte mein Ziel schon erreicht. Die zweifellos nette Stimme ließ für einen Moment nichts von sich hören, dann stammelte sie:
"SKL-Scheine?"
Jetzt hatte ich sie soweit und tatsächlich geschafft, das Gespräch zu dominieren. Ich hätte sie alles fragen können und ich wusste, sie hätte es mir erzählt. Ich hätte ihr meinen alten Schrott anpeisen können, sie hätte ihn gekauft. Zum doppelten Preis. Aber stattdessen beließ ich es bei "Danke für den Anruf und vielen Dank dafür, dass ich ihn nicht nochmal kriege".

Nach drei Monaten ohne Festnetzanschluss werde ich morgen mittag wieder ein Telefon anstöpseln. Ich wette sie haben mich vermisst. Sie werden mich Tag und Nacht anrufen. Alles werden sie mir verkaufen wollen, eine Handy-Partnercard, einen Urlaubsrabatt, Lottoscheine, eine Weinprobe, einen kaputten Vogelkäfig, eine Ratte für den kaputten Vogelkäfig, Scheiße, einen alten Schulbus, was auch immer, ich werde es kaufen. Ich habe keine Kraft mehr, mich gegen die Horden von wandernden Schlawinern zu wehren.

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Samstag, 26. Mai 2007
und wieder...
...ist mehr als eine Woche vergangen.
Aber heute muss ich wirklich mal wieder was schreiben.
Und da hab ich auch gleich die passende Fragestellung: Wieso unterhalten sich eigentlich Menschen, die sich garnicht miteinander unterhalten wollen? Wofür hat man den Smalltalk erfunden, diese lästige Phrasendrescherei und Ansammlung von sinnlosen Aufhängern? Neulich half ich bei einem Umzug in der knalligen Wärme, es war mitten am Tag und der Stern heizte uns alle auf mitte 30° auf. Da kam ein Mann vorbei uns sagte "Na, bei der Wärme macht es ja auch keinen Spaß." Ein ehrlich gemeinter Versuch der Kommunikation? Nein. Eine träge und abgedroschene Phrase, die nichts anderes hergibt als die Erkenntnis, dass der besagte Mensch sprechen kann. Und die Umzugsgemeinde antwortete mit dem passenden Pendant und jemand von uns sagte "Besser als wenn es regnen würde". Also ganz im Stil von Petri Heil - Petri Dank taten wir nichts anderes als einfach eine Phrase auszutauschen, zu allem Übel auch noch übers Wetter, das absolut omnipräsente Thema, das immer herhalten muss, wenn Menschen nichts anderes gemeinsam tun können, als sich übers Wetter zu beschweren, zu warm, zu kalt, zu schwül, zu feucht, etc.
Um meine Vermutung zu überprüfen machte ich einen weiteren Versuch, als ich am selben Tag an einem Haus vorbei fuhr, in dem ebenfalls gerade umgezogen wurde, und ich sprach einen der Leute an mit:
"Na bei dem Wetter macht es doch auch keinen Spaß."
Und man wird nicht erraten was kam:
"Besser als wenn es regnen würde", und die Unterhaltung war wieder beendet. Man merkt es immer wieder, überall wird man angesprochen und die Menschen kriegen nicht mal die Antwort mit, weil es sie garnicht interessiert, wie du antwortest.
"Alles klar?" "nein und bei dir?" "alles super, bis bald."
Wenn ihr mich fragt, an dieser Stelle würde ich auf diese konforme Höflichkeit verzichten. Wir leben eh nicht mehr in der Zeit, in der man jeden Passanten höflich grüßt, auf dieses letzte Überbleibsel der menschlichen Höflichkeit (oder höflichen Menschlichkeit, wie auch immer) können wir auch getrost verzichten. Man redet einach nur noch mit Menschen, mit denen man auch reden will, dabei gehören, wie auch vorher schon angesprochen, und sonst, im prinzip, das wetter u.v.m. auf die Liste der verbotenen Phrasen.
Also ich würde den Smalltalk zumindest nicht vermissen, wenn er von heute auf morgen von der Bildfläche verschwände.
Irgendweche gegensätzlichen Meinungen?

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