Dienstag, 27. März 2007
Die geizige Konsumgesellschaft
Heute war ich mal wieder bei Saturn um ein Kabel zu kaufen. Eigentlich hab ich es nicht so mit diesem Geschäft, ohne jetzt einen Vortrag über Globalisierung oder Massenkonsum halten zu wollen, ich mag es einfach nicht, dorthin zu gehen. Da ich aber genauso ungern in andere Medienkaufhäuser gehe, tue ich es trotzdem dann und wann. Jedesmal wenn ich dort bin jedoch, fällt mir dieser Spruch ins Auge, dieser omnipräsente, blödsinnige Spruch, ein Werbeslogan wie kein anderer, GEiZ IST GEIL.
Ich hasse ihn, im tiefsten inneren meiner Seele und auch, was mir sonst nicht ähnlich sieht, in jedem anderen Zentimeter meines Körpers. Liegt es an der Sprachverarmung? Daran dass dieser Spruch so armseelig ist und trotzdem so unglaublich wirksam? Liegt es daran, dass er mir trotzdem nicht aus dem Kopf geht obwohl ich ihn so ablehne?
Mein Problem mit diesem Spruch ist eigentlich ein ganz anderes. Um das zu erläutern ein kleiner Rückblick..

Als den Europäern zum Ende der 90er Jahre klargemacht wurde, dass die Währungsunion in 12 EU-Ländern zum 1.1.2002 in die letzte Phase übergehen würde und der Euro schließlich auch das Bargeld dieser Länder ablösen würde, da entwickelte sich in der breiten Masse wieder einmal ein Horrorszenario und die Menschen fürchteten um ihr liebes und hart erarbeitetes Geld. Schon vor der Einführung des Euro-Bargeldes erreichte die neue Währung an der Börse ihr Rekordtief und Menschen wachten oftmals in der Nacht schweißgebadet auf und weinten heiße Tränen. Hat ein Mensch Angst vor einem roten Tier, so kann er sich mit wenig Mühe in Anwesenheit eines gewöhnlichen Laubfrosches in all seiner Panik bestätigt sehen und die Farbe ist nur noch eine Frage der Argumentation. Es kam also wie vorhergesehen, mit der Einführung des Bargeldes sah man die inländische Kaufkraft des Euros sinken, überall erzählte man es seien lediglich die Gehälter genau umgerechnet worden, jedes Produkt hingegen unterläge eindeutig einer Inflation von mindestens 100%. Überall gingen die Umsätze der Warenhäuser zurück und man weigerte sich zu kaufen, der Konsumstreik richtete in der deutschen Wirtschaft einen erheblichen Schaden an. Tatsächlich also entwickelte sich das Gespenst als Resultat aus der Angst vor dem Gespenst, überall berichtete man von Rezession, Stellenabbau und Inflation, überall beschwerte man sich über die Regierung und den Euro, Arbeitslose ebenso wie verarmte Yachtbesitzer, alle verkündeten Hand in Hand dass es ihnen so schlecht gehe wie niemals zuvor.
Was ist allerdings eine Wirtschaft wert, die es nicht schafft, aus jedem beliebigen Trend ein Geschäft zu machen? Aus Geiz Profit schlagen, das hört sich zwar zunächst abwegig an, ist jedoch genau das, was durch die geschwächten Brieftaschen der Deutschen Bürger initialisiert wurde.
Zunächst begann man, die verängstigten Bürger mit Sonderangeboten wieder in die Geschäfte zu locken. Es fiel auf, dass es für ein Warenhaus egal ist, ob es pro verkauftes Produkt nur noch die Hälfte von dem gewinnt was früher in die Kassen und Gesäßtaschen ging, solange man die Kunden dazu bringen kann, die doppelte oder dreifache Menge zu kaufen. Man redete also fortan jedem potentiellen Kunden ein, er könnte bei bestimmten Produkten sparen, durch bestimmte Sonderangebote war diese Behauptung ja durchaus nachweisbar. Anschließend ging man noch einen großen Schritt weiter und schaffte ein völlig neues Bild des Sparens. Heutzutage nämlich, so scheint es, ist das Gesparte nicht mehr das Geld, das am Ende eines Monats übrig bleibt, sondern das Geld, das man für ein bestimmtes Produkt weniger bezahlt. Ein Produkt wird also beliebig verteuert, der Preis erscheint jedoch durchgestrichen auf dem Preisschild. Daneben erscheint der Originalpreis des Produkts und ein gut gemeinter Hinweis darauf, welche Ersparnis der Kauf des Produkts ergibt. Ich möchte nicht jedem beliebigen Händler unterstellen er würde kein wirkliches Sonderangebot für seine Produkte anbieten, insofern kann es sein, dass es sich bei vielen der durchgestrichenen Preise auf Tafeln und Schildern tatsächlich um die Originalpreise der angesprochenen Produkte handelt, das Problem liegt jedoch an anderer Stelle.
Wenn ich eines schönen Samstag Morgens in einem Katalog auf ein Sonderangebot aufmerksam gemacht werde und beschließe, das paar Schuhe zu kaufen, da es statt 99 Euro nur 79 Euro kostet, dann bin ich nicht im Begriff, 20 Euro zu sparen. Ich habe am Ende des Tages 79 Euro weniger gespart, da ich mir ein paar Schuhe gekauft habe. Könnte man durch den Erwerb von Produkten Geld sparen, dann wäre es kein Problem, sich nur vom Kauf von bestimmten, vergünstigten Produkten über Wasser zu halten.
Man kauft sich einfach im Jahr mehrere Klaviere mit einer Gesamtersparnis von einigen tausend Euro, von diesem Geld kann sich ein mittelständiger Deutscher eine lange Zeit ernähren.
Ich will die Augen vor dem Vorteil gar nicht verschließen – natürlich kann man durch etwaige Sonderangebote mit dem gleichen Geld mehr Produkte kaufen als ohne Sonderangebote, mit sparen hat es jedoch nichts mehr zu tun.
Wenn ein Fastfood - Restaurant Gutscheine ausgibt, mit deren Hilfe man Hamburger zu 75% des Normalpreises erwerben kann und man sich dorthin begibt, dann spart man überhaupt nichts. Noch weniger spart man, wenn man sich von den günstigen Angeboten dazu verführen lässt, gleich mehrmals jenes Restaurant aufzusuchen. Wäre im Monatsbudget eingeplant, dass man jeden Tag zwei Hamburger verzehrt und man beschließt plötzlich, nur noch einen Hamburger am Tag zu essen, dann spart man Geld. Stattdessen laufen täglich zahlreiche hungrige Bundesbürger in Fast - Food Lokale, weil sie der Meinung sind sie könnten durch die speziellen Angebote Geld sparen. Dass das Geld am Monatsende trotz der vielen Ersparnisse in der Brieftasche fehlt, das scheint einige von uns nicht zu wundern.
Dass man heutzutage immer und überall versucht, auf die Sparsamkeit einzugehen und ein Geschäft aus dem Geiz der verängstigten Bürger zu machen, das erkennt man nicht nur an Werbeslogans wie „Geiz ist geil!“. Sobald jemand versucht, ein Produkt an den Mann zu bringen, fallen Worte, die eine sich Anbahnende Zahlung attraktiver erscheinen lassen sollen.
Ein Beispiel hierfür ist das von mir persönlich verhasste Wort „einmalig“. Wahrscheinlich wird dem erfahrenen Leser sofort auffallen, wie viele einmalige Zahlungen man neuerdings zu tätigen hat. Im Fitnessclub ist die Aufnahmegebühr auf jeden Fall einmalig. Jeder neue Telefonanschluss oder Handyvertrag hat eine einmalige Anschlussgebühr als Aktivierungsenergie. Mittlerweile wollen Vertragspartner sogar einmalige Zahlungen für eine Änderung der persönlichen Daten. Mietkautionen und Maklerprovisionen – ohne Frage einmalig.
Ich tätige Grundsätzlich keine einmaligen Zahlungen, schon wenn das Wort fällt zucke ich erschrocken zusammen und versuche mich um die Ausgabe herumzudrücken. Im Grunde genommen ist der Klang des Wortes ja gar nicht so schlimm, denn es macht unmissverständlich klar, dass man nicht öfter als ein einziges Mal bezahlen muss. Dabei rückt aber recht oft aus dem Focus, dass eine einmalige Zahlung nichts anderes ist als eine Zahlung. Person A möchte Geld von Person B, nichts anderes. Das Wort „einmalig“ ist daher völlig überflüssig, für gewöhnlich wird nämlich jede nicht-einmalige (also jährliche oder gar monatliche) Zahlung auch als solche gekennzeichnet.
Jede beliebige (einmalige) Zahlung als solches kenntlich zu machen, das wäre als wenn man von einem Passanten auf der Straße für eine einmalige Spende von einigen Cent zur Kasse gebeten würde. Vielleicht würden Einkaufsbummler viel öfter Geld an Bettler, Obdachlose oder Straßenmusiker geben, wenn diese ein Schild neben ihre Hüte oder Gitarrenkoffer stellten, auf dem stünde „einmalige Spende bitte hier“.
Ein anderes dieser Signalwörter ist „unverbindlich“. Sobald ein beliebiges Gespräch unverbindlich wird, weiß man, dass es spätestens am Ende des Gesprächs um Geld geht. „Unverbindlich“ ist also nichts anderes als die Kurzform für "Ein Gespräch mit einer verbindlichen Bitte um Geld." Um einen finanziellen Suizid in einem verbindlichen Vertrag, darum geht es in einem unverbindlichen Gespräch.

Mittlerweile muss man nicht einmal mehr das Haus verlassen und einen Vertreter aufzusuchen um sich das liebe Geld aus der Tasche ziehen zu lassen, es kommen genug Pilger und Schlawiner an die eigene Haustür um vor Ort nach Reichtum zu suchen. Sogar am Telefon werden einige unserer Mitbürger fast täglich zu völlig unverbindlichen Gesprächen gezwungen. Ob es um ein Preisausschreiben, eine unverbindliche Weinprobe oder einen neuen Tarif geht, ständig klingelt das Telefon und eine sorgsam auserwählte Stimme klärt uns über die neuesten Optionen und Sparmöglichkeiten auf. Wenn es nicht ums Sparen geht, dann geht es ums Gewinnen. Natürlich, jeder will Geld gewinnen, keine Frage. Aus diesem Grund wird man auch oft mit den neuesten Klassenlotterien behelligt, nicht zu selten werden bis zu 90%ige Gewinnchancen versprochen. Wie ist das denn nun mit den Gewinnchancen, sind die tatsächlich so hoch? Und warum ist das möglich, irgendwoher muss das Geld, das uns alle reich machen soll, doch kommen? Tatsächlich sind die Chancen, bei einer Teilnahme mit einer Geldausschüttung belohnt zu werden, atemberaubend hoch. Genauso hoch allerdings ist auch die Chance, dass dieser „Gewinn“ ungefähr halb so hoch ist wie der Einsatz. Einen tatsächlichen Gewinn zu erzielen ist demnach ähnlich hoch wie die Chance dafür, dass die freundliche Person am Telefon berichtet, dass man auf keinen Fall mitmachen sollte und dass man als Teilnehmer höchstens über den Tisch gezogen, nicht aber belohnt wird. Eine dieser freundlichen Personen wurde am Telefon eines Tages recht eindringlich und fragte mich, ob ich kein Geld gewinnen wolle. Da kann man wahrscheinlich nur mit einer Gegenfrage antworten: „Wenn ihr Lotterieticket jeden Teilnehmer mit einer 97%igen Chance zum Millionär macht, wieso sitzen sie immer noch im Callcenter und versuchen, anderen Menschen Lose aufzuschwatzen?“
Auch im Fernsehen geht es ständig ums sparen und gewinnen. Nach Ende des regulären Sendeprogramms zeigt mittlerweile jeder zweite Fernsehsender seine eigenen, spannenden Gameshows. Ein Anruf kostet 50 Cent oder mehr, anrufen tun einige am Abend ca. 20 Male. Gewinnen tun sie für gewöhnlich nichts. Um das zu garantieren hat jeder Sender die kleinen Standard-Tricks. In der einen Show wird ein Anrufer nach dem anderen in die Leitung geholt, des Rätsels Lösung allerdings ist einfach nicht zu erraten. Da gesetzlich vorgeschrieben ist, dass es eine Lösung geben muss, hat man einen anderen Trick gewählt, denn jedes Rätsel hat ein dutzend Lösungen und wenn eine der richtigen Lösungen genannt wird, dann streicht man sie einfach von der Liste. Erst wenn die letzte „richtige“ Lösung genannt wird, kann ein Teilnehmer Geld gewinnen. Für gewöhnlich jedoch wird das Spiel vor erreichen der letzten Lösung beendet, ergo – niemand gewinnt. Auch eine nette Art und Weise ist es, das Rätsel so armselig einfach zu gestalten, dass jeder Zuschauer auf den ersten Blick die Lösung kennt. Die Moderatoren erzählen daraufhin dass sie gar nicht verstünden warum niemand anrufe, das Rätsel müsse wohl zu schwer sein. Während die Geschäftsführer nur noch Dollarzeichen sehen und sich vor lachen die Bäuche halten, ruft ein armer Mensch nach dem anderen an, im Glauben er sei der einzige Erleuchtete. Die Moderatoren bieten immer mehr Geld, die Leitungen glühen und zu Hause ärgert sich jeder Zuschauer darüber, dass das einfache Rätsel bisher noch nicht gelöst wurde, greift letztendlich doch zum Telefon. Denn was jeder merkt – die Zeit drängt! Ständig blinkt der Hotbutton, ein Zeichen dafür, dass jede Sekunde ein Anrufer in die Leitung geholt werden kann. Zahllose Countdowns, nervtötende Piepsgeräusche und übertrieben nervöse Moderatoren sollen dies beweisen. Passieren tut jedoch eine Stunde lang nichts. Erst wenn die Schweizer Nummernkontos platzen wird irgendjemand in die Leitung geholt, der die Frage mit Sicherheit falsch beantwortet. Wahrscheinlich steht die ominöse Person in Verbindung mit dem Sender und kriegt ein höchstens dürftiges Gehalt dafür, diese Frage falsch zu beantworten. Das Geld bleibt also beim Sender. Fast noch klüger ist die Masche, wirklich ein paar Menschen Geld gewinnen zu lassen, denn hier rufen noch mehr an, die eingespielten Summen liegen weit über den halbherzig ausgezahlten Gewinnen. Also Leute, „spart“ euer Geld lieber und ruft nicht an, diese Shows ernähren sich nur dadurch, dass sie euch etwas vorspielen.

Und wieder zurück zum eigentlichen Thema: jetzt wird auch jedem klar sein warum ich diesen Slogan so hasse, paradoxerweise wird also vor allem mit der Sparsamkeit der Menschen überdimensional viel Geld gescheffelt. Der Konsumgeiz, vielleicht eines der großen Worte des neuen Jahrtausends, ist eins der ertragsreichsten Geschäfte unserer Zeit. Du willst kein Geld ausgeben? Das kostet aber extra!

... comment